Neue OGH Entscheidung zu Mindestzinsvereinbarungen
Neue OGH Entscheidung zu Mindestzinsvereinbarungen
Bereits seit mehreren Jahren gibt es an den Kapitalmärkten das Phänomen negativer Referenzzinssätze, wie etwa EURIBOR und LIBOR, welche als Grundlage für die Zinsberechnung von vielen Kreditverträgen herangezogen werden. Um aus dieser Marktsituation keinen Nachteil zu erleiden, versuchen Banken in der Regel sich gegen diese unvorteilhafte Marktlage abzusichern, zB durch Vereinbarung einer entsprechenden Mindestverzinsung bzw Zinsuntergrenze (Floor). Damit soll sichergestellt werden, dass dem Kreditgeber zumindest die ursprüngliche Marge erhalten bleibt. Einseitige Untergrenzen ohne korrespondierende Obergrenze wurden in der Vergangenheit jedoch von Gerichten wiederholt nicht anerkannt, wenn sie Teil von allgemeinen Geschäftsbedingungen, Vertragsformblättern oder sonstiger vorformulierter Erklärungen waren. Im Konsumentengeschäft verstoßen einseitige Zinsuntergrenzen in solchen Fällen nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung gegen des Zweiseitigkeitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und sind daher generell ungültig.
Die ersten Entscheidungen beschäftigten sich lediglich mit der Gültigkeit solcher Klauseln in Konsumentenverträgen und es stellte sich die Frage, wie Zinsuntergrenzen im Unternehmergeschäft beurteilt würden. Eine erste höchstgerichtliche Entscheidung dazu aus 2016 (3 Ob 47/16g), in welcher eine einseitige Mindestzinsvereinbarung auch im Unternehmergeschäft für unzulässig befunden wurde, sorgte allgemein für Überraschung, wenngleich der Sachverhalt einige Besonderheiten aufwies. In der Folge sorgte im Juni 2018 eine Entscheidung des Handelsgerichts Wien für Aufsehen, in welcher im Kern das Zweiseitigkeitsgebot auch auf einen Unternehmerkredit angewendet und eine einseitige Untergrenze als „gröblich benachteiligend“ iSd § 879 Abs 3 ABGB und somit als unzulässig beurteilt wurde.
Mittlerweile liegt die höchstgerichtliche Entscheidung zu diesem Urteil vor (1 Ob 75/19i). Nach dem festgestellten Sachverhalt wurde zuerst ein Kreditvertragsentwurf ohne Mindestverzinsung übermittelt und erst später wurde im Zuge einer vom Kunden gewünschten Änderung der Sicherheitenstruktur von der Bank als Gegenleistung eine Mindestverzinsung („Fixum“) gefordert, welche vom Kreditnehmer auch ausdrücklich akzeptiert wurde. Daraus leitete der OGH ab, dass eine bestimmte Mindestverzinsung als Hauptleistungspflicht individuell ausgehandelt war. Individuell ausgehandelte Hauptleistungen des Vertrages unterliegen jedoch nicht der Nichtigkeitsprüfung des § 879 Abs 3 ABGB. Daher wurde vom Obersten Gerichtshof, entgegen der Ansicht des Handelsgerichtes, die einseitige Mindestverzinsung im Anlassfall für zulässig befunden. Daraus folgt, dass solche Vereinbarungen jedenfalls nicht generell unzulässig sind.
Bewusst offen gelassen wurde vom OGH die Frage, ob die in diesem Fall zusätzlich zum Fixum vereinbarte einseitige Zinsanpassungsklausel, welche über das Fixum hinaus zu einer Zinserhöhung führen hätte können, als Teil der zulässigen Hauptleistung oder als noch näher zu prüfende Nebenvereinbarung zu qualifizieren wäre. Nicht abschließend geklärt ist somit auch die Zulässigkeit der in der Praxis regelmäßig verwendeten Variante einer Zinsanpassungsklausel (zB EURIBOR + 2 %) mit der Zusatzbedingung eines Zinsfloors (bei negativem EURIBOR wird zur Berechnung ein Wert von 0 herangezogen). Nicht auszuschließen ist somit, dass der Floor in dieser Variante im Einzelfall als gröblich benachteiligende Nebenvereinbarung iSd § 879 Abs 3 ABGB gesehen werden könnte. Zur Klärung dieser Variante muss erst noch weitere Rechtsprechung abgewartet werden.
Im Ergebnis muss festgehalten werden, dass die Rechtsprechung zu Unternehmensgeschäften weiter unklar ist und dass es daher für die praktische Vertragsgestaltung vorerst weiter von Bedeutung ist, in jedem einzelnen Fall die Zulässigkeit von Zinsuntergrenzen sorgsam zu prüfen und gegebenenfalls die Voraussetzungen für die Zulässigkeit durch eine individuelle Vertragsgestaltung und Verhandlungsdokumentation zu schaffen.
Für weitere Informationen zu diesem Thema stehen wir Ihnen jederzeit gerne zur Verfügung.
Dr. Uwe Rautner, LL.M. (LSE)
Managing Partner
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Mag. René Semmelweis, LL.M. (WU)
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